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Luzifer-Amor 72, 2/2023
Themenschwerpunkt: »Sexualwissenschaft und Psychoanalyse: Personen & Organisationen, Theorie & Praxis«
Luzifer-Amor 72
Mit Beiträgen von Marina d’Angelo, Kevin Dubout, Veronika Fuechtner, Anthony D. Kauders, Richard Kühl, Birgit Lang, Knuth Müller, Thomas Müller, Paolo Raile, Edith Schütz, Andreas Seeck, Richard Skues, Heiko Stoff, Katie Sutton, Katyrzyna Swita, Raimund Wolfert
1. Aufl. 2023
236 S. Pb., 
44,00 €
ISBN 0000000000000

Lieferbar

Inhalt


Editorial

 

Schwerpunkt: Sexualwissenschaft und Psychoanalyse:
Personen & Organisationen, Theorie & Praxis

 

Veronika Fuechtner
Der Sexualwissenschaftler Sigmund Freud – eine globale Perspektive 

 

Birgit Lang und Katie Sutton
(Ver-)Handlungsräume von Sexualwissenschaft und Psychoanalyse:
englischsprachige Organisationen und Zeitschriften der Zwischenkriegszeit 

 

Heiko Stoff
»Die endokrine Formel.« Psychoanalyse und Sexualhormonforschung
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts 

 

Richard Kühl
Feuer und Blut. Zur Politisierung des Triebbegriffs nach 1918

 

Kevin Dubout
»Wer in aller Welt ist auf diese Weise homosexuell geworden?«
Die Rezeption der Psychoanalyse in der »Bibliographie der Homosexualität«
des Jahrbuchs für sexuelle Zwischenstufen

 

Raimund Wolfert
In memoriam Magnus Hirschfeld. Vom Bemühen, nach 1945 an Traditionen
von vor 1933 anzuknüpfen und einen diskreditierten Namen zurück
in den Diskurs zu bringen. Das Beispiel Werner Becker

 

Aus der Forschung

Edith Schütz und Thomas Müller
»Psychoanalytische Abstinenz« in historischer Perspektive

 

Paolo Raile
Die Causa Zentralblatt. Machtstrukturen der frühen psychoanalytischen
Community am Beispiel des Kampfes um ein bedeutendes Publikationsorgan

 

Marina d’Angelo
... e quindi uscimmo a riveder le stelle
Auf den Spuren von Dante in Freuds Werk


Kleine Mitteilungen

Richard Skues
Weitere Anmerkungen zum Kassa-Protokoll

 

Andreas Seeck
Der Einfluss von Franz Brentano auf Freuds Denken –
ein kritischer Kommentar

 

Knuth Müller
Eissler, das Militär und die psychoanalytische Gemeinschaft –
Gedanken zu Eisslers »War-Manuscript«
Ein Buch-Essay

 

Anthony D. Kauders
Wie schreibt man eine Geschichte der Psychoanalyse?
Zu Michael Schröters Auf eigenem Weg. Ein Buch-Essay

 

Katyrzyna Swita
36. Symposion zur Geschichte der Psychoanalyse 3. bis 5. März 2023

 

 
E-Books zu diesem Titel:

Gesamtheft (Luzifer-Amor 72, E-Journal) Format: pdf
Preis: 29,90 €
Sexualwissenschaft und Psychoanalyse entstanden als neue Denkstile der Moderne gleichzeitig an der Schwelle zum 20. Jahrhundert vornehmlich im deutschsprachigen Raum. Zwischen beiden Feldern gibt es zahlreiche Gemeinsamkeiten und Verflechtungen, nicht nur im Hinblick auf Themen, Personen und Organisationen, sondern insbesondere auch auf ihr Selbstverständnis als vollwertige und eigenständige medizinische Subdisziplinen; und nicht zuletzt war die Mehrheit der Protagonist*innen hier wie dort jüdischer Herkunft. Aufgrund des virulenten zeitgenössischen Antisemitismus, aber auch aufgrund ihres zentralen Erkenntnisgegenstandes, der als nicht wissenschaftswürdig betrachteten menschlichen Sexualität, hatten beide Fächer – trotz intensiver Bemühungen – gleichermaßen Schwierigkeiten, in akademischen Institutionen Fuß zu fassen. Das war der Fall, obwohl sie ihren wissenschaftlichen Anspruch durch die Herausbildung eines eigenständigen Korpus von Monografien und Fachzeitschriften, die Entwicklung therapeutischer Konzepte sowie die Gründung nationaler und internationaler Fachorganisationen unter Beweis stellten. Dennoch blieb beiden die Integration in den universitären Betrieb zumindest in Deutschland bis 1933 (und natürlich auch darüber hinaus) verwehrt. Andererseits gab es auch Unterschiede zwischen den beiden Fächern. Die Reichweite ihres Anspruchs, zum Verständnis des modernen Subjekts beizutragen, war verschieden. Und während die Sexualwissenschaft eher naturwissenschaftlichdeterministisch vorging, dominierte in der Psychoanalyse ein deutend-hermeneutisches Verfahren. Differenzen gab es ferner hinsichtlich des sexualpolitischen
Engagements für eine Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse, der sexualaufklärerischen und -beraterischen Tätigkeit in der Breite der Gesellschaft und, nicht zuletzt, des therapeutischen Verfahrens. Besonders in der Frage nach der Erklärung, Bewertung, Therapiewürdigkeit und Therapierbarkeit der Homosexualität und den sich daraus ergebenden strafrechtlichen Konsequenzen zeigten sich erhebliche Meinungsverschiedenheiten, die zu Abgrenzungsbewegungen führten.

Beitrag: Veronika Fuechtner: Der Sexualwissenschaftler Sigmund Freud – eine globale Perspektive Format: pdf
Preis: 7,90 €
Dieser Beitrag beleuchtet die Beziehung zwischen Psychoanalyse und Sexualwissenschaft in ihrem frühen Globalisierungsprozess anhand von vier Beispielen: Indien (Karve), Mexiko (Carrancá y Trujillo/Argüelles/Quiroz), Japan (Tetsu), und Brasilien (Irajá). Außerhalb des deutschsprachigen Raums wurden die beiden Wissenschaften oft als nicht ausdifferenzierter Teil einer neuen globalen Bewegung gesehen, in der die Theoretisierung von Sexualität im Mittelpunkt stand. Für viele Sexualwissenschaftler*innen blieb Freud primär ein Sexualwissenschaftler. Seine Theorie konnte ohne weiteres mit endokrinologischen, eugenischen oder kriminologischen Studien verbunden werden, um bestimmte Sexualpraktiken zu pathologisieren. Gleichzeitig konnte Freud als Literat oder Philosoph gelesen werden, oder als Vorreiter einer Theoretisierung sexueller Befreiung. Der Blick auf die internationale Rezeption Freuds als Sexualwissenschaftler deckt unerwartete polyglotte
globale Genealogien auf.

Beitrag: Birgit Lang und Katie Sutton: (Ver-)Handlungsräume von Sexualwissenschaft und Psychoanalyse: englischsprachige Organisationen und Zeitschriften der Zwischenkriegszeit Format: pdf
Preis: 7,90 €
Während die Differenzierung zwischen Psychoanalyse und Sexualwissenschaften in den 1920er-Jahren als einigermaßen festgeschrieben betrachtet werden kann, bot der englischsprachige Raum die Möglichkeit einer spannungsfreieren Zusammenführung der beiden Theoriefelder und die Kommunikation derselben mit einer breiten Leser*innenschaft. Anhand der beispielhaften Auswahl einer Reihe von Organisationen (British Society of Sex Psychology, Weltliga für Sexualreform), Zeitschriften (Psyche and Eros, Journal of Sexology and Psychoanalysis) und Figuren (insbesondere Wilhelm Stekel, Samuel Tannenbaum und William Robinson) verwendet dieser Beitrag den Begriff »(Ver-)Handlungsräume«, um diese Netzwerke und Übersetzungsleistungen – linguistischer, kultureller und interdisziplinärer Natur – darzustellen.

Beitrag: Heiko Stoff: »Die endokrine Formel.« Psychoanalyse und Sexualhormonforschung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts Format: pdf
Preis: 7,90 €
Experimentalbiologischen Experimente zur Geschlechtsausbildung und -umwandlung, die in den 1910er-Jahren von dem Physiologen Eugen Steinach durchgeführt wurden und prägend für die Sexualhormonforschung waren, hatten großen Einfluss sowohl auf die sexualwissenschaftliche Theorie Magnus Hirschfelds als auch auf die psychoanalytische Theorie Sigmund Freuds. Für Hirschfeld belegten sie sowohl die juristisch so bedeutsame These einer homosexuellen Konstitution als auch die höchst flexible Theorie der sexuellen Zwischenstufen. Für Freud waren sie ein Beleg für die prinzipielle Bisexualität aller Geschlechtswesen, widersprachen aber seinem Entwicklungsmodell der sexuellen Objektwahl. Sexualhormonen kamen dabei bis Mitte des 20. Jahrhunderts eine entscheidende Rolle sowohl für die Erklärung der körperlichen Geschlechtsentwicklung als auch der psychischen Prägung zu. Obwohl entsprechende Versuche bestanden, psychische und somatische Prozesse im Konzept vegetativer Regulationen zu verbinden, gelang es weder neuroendokrinologischen noch psychosomatischen Forschungen, das »Leib-Seele-Geist-Problem« (Heinrich Meng) wirklich zu lösen.

Beitrag: Richard Kühl: Feuer und Blut. Zur Politisierung des Triebbegriffs nach 1918 Format: pdf
Preis: 7,90 €
Triebtheorien erlebten nach den entgrenzenden Gewalterfahrungen des Ersten Weltkriegs eine neue Attraktivität. Sie fungierten als regelrechte Welterklärungsinstrumente. Dominant blieb dabei jedoch das Denkmuster einer wesenhaften Naturalisierung von Geschlechterrollen, die ihre Ursprünge in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhundert hatten. In der Sexualwissenshaft zeigte sich dies besonders eindrücklich dann, wenn sie Triebtheorien in ein dialogisches Verhältnis zu solchen Lehren treten ließ, die herkömmliche Geschlechterbilder eigentlich offensiv zu unterlaufen versprachen. Dies setzte einer Politisierung des Triebbegriffs für pazifistische Zwecke enge Grenzen und ermöglichte eine heute kaum mehr verständliche, jedoch in der Kultur der Weimarer Republik fest verankerte Apologetik sexualisierter Gewalt. Auch die frühe Sexualforschung war dafür repräsentativ. Sie hatte flügelübergreifend der aggressiven Politisierung des Triebkonzepts, wie sie die radikale politische Rechte um 1930 als wirksames Instrument der Ästhetisierung des »Kriegserlebnisses« für sich entdeckte, wenig entgegenzusetzen.

Beitrag: Kevin Dubout: »Wer in aller Welt ist auf diese Weise homosexuell geworden?« Die Rezeption der Psychoanalyse in der »Bibliographie der Homosexualität« des Jahrbuchs für sexuelle Zwischenstufen Format: pdf
Preis: 7,90 €
Der Aufsatz befasst sich mit der frühen Rezeption der Psychoanalyse in der »Bibliographie der Homosexualität« des Jahrbuchs für sexuelle Zwischenstufen, des Publikationsorgans des Wissenschaftlich-humanitären Komitees (WhK). In der vom langjährigen WhK-Mitstreiter Numa Praetorius (Pseudonym von Eugen Wilhelm) betreuten Bibliographie wurde die Psychoanalyse, wie andere Gebiete der Wissensproduktion über Homosexualität aus dieser Zeit, aus sexualtheoretischer und sexualpolitischer Perspektive kritisch betrachtet. Neben dem Dissens in der Frage der Entstehung der Homosexualität, der zu einer kategorischen Zurückweisung der Konzepte und Methoden der Psychoanalyse führte, kritisierte Praetorius die Heilungsangebote und den in seinen Augen herabgesetzten Stellenwert, der den Aussagen und Erfahrungen der Betroffenen im psychoanalytischen Diskurs zukam. Obwohl sich die meisten Psychoanalytiker*innen gegen die strafrechtliche Verfolgung der Homosexualität aussprachen, hielt er die neue Disziplin insgesamt für emanzipationspolitisch kontraproduktiv.

Beitrag: Raimund Wolfert: In memoriam Magnus Hirschfeld. Vom Bemühen, nach 1945 an Traditionen von vor 1933 anzuknüpfen und einen diskreditierten Namen zurück in den Diskurs zu bringen. Das Beispiel Werner Becker Format: pdf
Preis: 7,90 €
Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Name Magnus Hirschfelds zwar keineswegs vergessen, jedoch gelang es in Deutschland, Ost wie West, lange nicht, an sein Werk anzuknüpfen. Dies versuchte der Arzt Werner Becker (1927–1980), als er seine Dissertation »Über die Ätiologie und Differentialdiagnose der Homosexualität« in West-Berlin vorlegte. Becker war zudem mit etlichen homosexuellen Aktivisten vernetzt. Die vernichtende Kritik seiner Gutachter und homosexuellenfeindliche Tendenzen im Wissenschaftsbetrieb waren Hemmnisse für seine weitere wissenschaftliche Entwicklung. Becker wurde wegen »unerlaubter Handlungen« nach § 175 StGB auch mehrfach kriminalisiert. 1956 brach er alle Brücken ab, ging nach Kanada und ließ sich zum Psychoanalytiker ausbilden. Zehn Jahre später wurde er Leiter des Berliner Psychoanalytischen Instituts (BPI). Privat ging er eine Lebenspartnerschaft mit einer Kollegin ein. Über das Thema Homosexualität äußerte er sich fortan nicht mehr. Offenbar war die Abkehr von seinem ursprünglichen Forschungs- und Interessensgebiet die Voraussetzung für seinen Werdegang als Psychoanalytiker. Schlüssig ist vor diesem Hintergrund, dass etwa am BPI bis vor wenigen Jahren über Beckers Engagement in der Homosexuellenbewegung der frühen Nachkriegszeit nichts bekannt war.

Beitrag: Edith Schütz und Thomas Müller: »Psychoanalytische Abstinenz« in historischer Perspektive Format: pdf
Preis: 7,90 €
Gegenstand der vorliegenden Untersuchung ist das Abstinenzprinzip und seine daraus abgeleiteten Behandlungsregeln für die psychoanalytische Technik, seine Bedeutung und Funktionen sowie diesbezügliche, inhärente Widersprüche und damit verbundene Herausforderungen. Der Beitrag bietet einen umfassenden historischen Überblick und bezieht sich hiernach insbesondere auf die Gegenwart psychoanalytischer Ausbildung. Beginnend mit dem historischen Ursprung der von Sigmund Freud zur Handhabung der sogenannten »Übertragungsliebe« erstellten Abstinenzregel im zeitgeschichtlichen Kontext, wird gezeigt, in welcher Weise das Abstinenzprinzip im historischen Verlauf den psychoanalytischen Prozess bzw. die psychoanalytische Praxis beeinflusste und dazu beitrug, den formalen Rahmen abzustecken, innerhalb dessen der/ die jeweilige Patient*in (Analysand*in) entweder die heilsamen Veränderungen in der Therapie oder der Lehranalyse erleben konnte, oder andererseits – durch unzweckmäßigen Einsatz von Regeln – eventuell hieran gehindert wurde. Zugleich soll verdeutlicht werden, inwiefern gerade die persönlichen Auffassungen und Interpretationen der jeweiligen historischen Autor*innen zur Anwendung behandlungstechnischer Regeln immer wieder zu scharfen Kontroversen in der Fachwelt geführt haben.

Beitrag: Paolo Raile: Die Causa Zentralblatt. Machtstrukturen der frühen psychoanalytischen Community am Beispiel des Kampfes um ein bedeutendes Publikationsorgan Format: pdf
Preis: 7,90 €
Macht existiert überall und in jeder Beziehung zwischen Menschen. Je umfangreicher das Netz der sozialen Beziehungen ist, desto komplexer sind auch die Machtstrukturen. Und nicht selten kommt es dabei zu Konflikten und Machtkämpfen. Ein solches komplexes Machtnetz ist die psychoanalytische Bewegung der beginnenden 1910er-Jahre, die von zahlreichen Veränderungen wie der Gründung mehrerer Publikationsorgane und Konflikten wie denen Freuds mit Adler, Stekel oder Jung geprägt ist. Damals wurde das Zentralblatt als psychoanalytische Monatsschrift gegründet. Anhand der Geschehnisse rund um die kurze Existenz der Zeitschrift – mit den drei Schwerpunkten: Gründung, Freud-Adler-Kontroverse, Ausstieg Freuds als Herausgeber bzw. Stekels aus der WPV – werden formelle und informelle Machtstrukturen der psychoanalytischen Community in ihrer Anfangszeit betrachtet.

Beitrag: Marina d’Angelo: ... e quindi uscimmo a riveder le stelle Auf den Spuren von Dante in Freuds Werk Format: pdf
Preis: 7,90 €
Es ist bisher wenig bekannt, dass Freud ein Kenner und Verehrter Dantes war und dass die Jenseitsreise, vor allem der Abstieg in die Hölle von Dante und Vergil, eine nicht unbedeutende Rolle der in Entstehung der Traumdeutung spielte, die bereits in ihrem Motto auf die Hölle verweist (Acheronta movebo!). Als zwanzigjähriger Student kaufte sich Freud in Triest ein Exemplar der Göttlichen Komödie auf Italienisch, 62 Jahre später, 1938, schenkte ihm eine Nichte eine zweibändige deutsche Edition. So begleitete ihn das Werk sein ganzes Leben hindurch. Die Jenseitsreise Dantes wurde zur Metapher für den schwierigen Durchbruch der Psychoanalyse und für die Selbstanalyse Freuds, wie der Briefwechsel mit Wilhelm Fließ zeigt, dem Freud eine ähnliche Begleiterrolle zuschrieb, wie sie Vergil bei Dante ausübte. Als Analytiker übernahm Freud später explizit selbst diese Funktion gegenüber seinen Patienten. In seinen Schriften finden sich etliche Zitate oder Verweise auf Dante, die in diesem Beitrag verfolgt und erläutert werden.

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